Cocablätter in Südamerika
In den Anden und dem Amazonasgebiet hat Coca bis heute einen sehr hohen Stellenwert in der Volksmedizin. Es wird bei Schmerzen aller Art, Neuralgien, Rheuma, Erkältungen, Grippe, Verdauungsstörungen, Verstopfung, Koliken, verdorbenen Magen, Höhenkrankheit, Ermüdung, Schwächezuständen und zur Erleichterung der Geburt verwendet. Cocatee wird bei Zuckerkrankheit, als Appetitzügler, gegen die Höhenkrankheit, als Tonikum (Stärkungsmittel) und zur Stabilisierung des Magen-Darm-Trakts z.B. bei Durchfall verordnet. Bei Bronchitis, Asthma und Husten werden die Cocablätter geräuchert oder geraucht.
Meist sind es seine psychisch und physisch stärkende Wirkung, seine schmerzhemmende Wirkung, seine Eigenschaft als appetithemmendes Mittel sowie seine regulierende Wirkung auf den Blutzuckerspiegel, die man sich zu nutze macht.
Coca und Kokain in Europa
In Europa wurden Cocablätter im 19. Jahrhundert manchmal gegen Asthma gegeben. Doch erst nachdem es 1859 dem deutschen Chemiker Albert Niemann gelungen war, das wirksame Alkaloid, das er Kokain nannte, aus den Cocablättern zu isolieren, interessierten sich zunehmend Ärzte für den neuen Wirkstoff. Siegmund Freud nahm selbst drei Jahre lang Kokain. Er hielt es für ein gutes Schmerzmittel und mögliches Heilmittel bei psychischen Krankheiten. Nachdem er lange Zeit Kokain genommen hatte, ohne selbst eine Anhängigkeit zu entwickeln, kam er auch auf den Schluss dass die Droge ein gutes Ersatzmittel bei Morphiumsucht sei. Dies veranlasste ihn dazu, die Droge seinem morphium-süchtigen Freund Ernst Fleischl-Marxow zu empfehlen. Als dieser aber bald nach der Ersatzdroge selbst süchtig wurde, musste Freud seine Meinung ändern. Wissenschaftliche Analysen sollen ergeben haben, dass erst seine Kokainerfahrung das zehn Jahre später erschienene Hauptwerk „Traumdeutung“ ermöglicht hat. Das Kokain soll nämlich gewisse psychische Schranken gelockert haben und so Freud Zugang zu seinem Unbewussten ermöglicht haben.
Auf einen Rat von Freud hin untersuchte sein Kollege Karl Koller, ein Wiener Augenarzt, die Möglichkeit mit Kokain das Auge zu betäuben. Es stellte sich heraus, dass das Kokain verlässlich die Schmerzempfindung im Bereich des Auges vorübergehend ausschalten kann. 1885 wurde die erste Staroperation mit einer Kokain-Lokalanästhesie durchgeführt. Somit war Kokain das weltweit erste verlässlich wirkende Lokalanästhetikum und machte bei vielen Augenoperationen eine risikoreiche Vollnarkose überflüssig. Heute ist es in der Augenheilkunde von besseren rein synthetischen Substanzen wie Procain und Lidocain abgelöst. Diese Substanzen haben zwar die schmerzhemmende Eigenschaft des Kokains, jedoch keine psychotrope Wirkung. Vorbild zu ihrer Synthese war die chemische Grundstruktur des Kokains.