Coca in Südamerika
In den Regenwäldern der Andenausläufer ist die Cocapflanze seit Jahrtausenden fest in den Kulturen der Eingeborenen verankert. Sie dient dort bis heute als wichtiges Handelsgut, Medizin und als Mittel zur Leistungssteigerung, um in der dünnen Luft der hoch gelegenen Bergregionen überleben zu können. Außerdem spielt sie bei schamanischen Ritualen eine wichtige Rolle. Der älteste archäologische Beleg für das Kauen von Kokablättern wird auf ca. 3000 v. Chr. datiert. Postboten in der Inkazeit überwanden dank der leistungssteigernden Wirkung der Cocablätter die langen Stecken quer durch das Reich.
Nach der Entdeckung Amerikas versuchten die spanischen Eroberer in Südamerika das Kauen von Kokablättern, in dem sie eine teuflische Handlung sahen, zu verbieten. Im Jahr 1560 trat in Neuspanien ein generelles Cocaverbot in Kraft, das allerdings 1569 wieder aufgehoben wurde, da die Besetzer erkannten, dass das Cocakauen so tief in der einheimischen Kultur verwurzelt war, dass es unmöglich war seinen Gebrauch zu unterbinden. Außerdem war Coca – und ist bis heute – ein wichtigstes Handelsgut und Zahlungsmittel zwischen den Indianerstämmen. Dass es mittlerweile auch internationalen Drogenkartellen hohe Einnahmen beschert und der wichtigster Wirtschaftszweig zahlreicher südamerikanischer Staaten, wie etwa Kolumbien, geworden ist, sei an dieser Stelle auch erwähnt.
Europa
1566 erschien in Europa das erste Buch über die Cocapflanze. Etwas später brachte der spanische Arzt Nicolas Monardes die erste Cocapflanze nach Europa, doch hier stieß die neue Droge vorerst auf wenig Beachtung. Das lag auch daran, dass man die beschrieben Wirkung hier nicht nachvollziehen konnte, da die Pflanzen durch den langen Transportweg und falsche Lagerung den größten Teil des in den Blättern enthaltenen Kokains verloren hatten.
1859 wurde das wirksame Alkaloid von Albert Niemann zum ersten Mal isoliert und Kokain genannt. In folgenden Jahrzehnten wurde die Droge schnell bekannt und beliebt. Als gefährliche Substanz wurde sie allerdings nicht gesehen und allfälliges Suchtveralten auf die Charakterschwäche des Konsumenten zurückgeführt. 1863 kreierte der korsische Chemiker Angelo Mariani ein Getränk namens „Vin Mariani“. Es enthielt Süßwein und ein Extrakt aus Cocablättern. Seine anregende Wirkung sprach sich schnell herum und es fand viele Verehrer wie die Königin Victoria oder den Papst Leo XIII., der den Erfinder des Getränks zum „Wohltäter der Menschheit“ erklärte.
Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, hielt Kokain eine Zeit lang für ein mögliches Heilmittel bei psychischen Krankheiten und geeignetes Ersatzmittel bei Morphiumsucht. Vor allem aus Selbstversuchen schloss er, dass Kokain nicht zur Abhängigkeit führt. Als etwas später ein Bekannter nach dem neuen Wundermittel süchtig geworden war, änderte er jedoch seine Ansicht über die Droge. 1885 verwendete der Wiener Augenarzt Karl Koller auf Rat seines Kollegen Sigmund Freud zum ersten Mal Kokain zur örtlichen Betäubung des Auges. Es stellte sich als erstes verlässlich wirksames Lokalanästhetikum bei Augenoperationen heraus und machte somit eine Vollnarkose überflüssig. 1886 wurde vom der Apotheker John S. Pemperton ein weiteres Kokaingetränk kreiert, das man „Coca Cola“ nannte. Seit 1904 enthält das Coca Cola allerdings kein Kokain mehr sondern ein nur wirkstoffloses Extrakt aus der Cocapflanze. Erst 1898 wurde die Strukturformel des Kokains entdeckt und 1902 gelang es Richard Willstätter, Kokain synthetisch im Labor herzustellen.
Der Aufstieg des Kokains zur Modedroge in Europa begann nach dem 1. Weltkrieg. In den 20er Jahren war Kokain eine allgegenwärtige Droge, um die sich eine eigene europäische Kokainkultur gebildet hatte. Besonders bei Künstlern und Literaten war Kokain sehr beliebt. Doch bald kam es zu weltweiten Verboten, die bis heute bestehen. Neben dem Verbot war es auch die schlechte Wirtschaftslage der 30er-Jahre die schließlich immer mehr Kokser auf die neuen weit billigeren Amphetamine umsteigen ließen, die bis in dei 70er Jahre legal erhältlich waren. Während in den 60er und 70er Jahren „bewusstseinserweiternde“ Drogen wie LSD und Cannabis besonders beliebt waren, kam in den 80er Jahren in der leistungsorientierten Yuppie-Gesellschaft zu einer Wiederentdeckung des Kokains. Seit dieser Zeit ist Kokain nach Cannabis und Heroin die weltweit meist konsumierte illegale Droge. In den 80ern tauchte in den USA auch ein noch viel gefährlicheres chemisch verändertes Kokain auf – das Crack, das in den USA heute die weitaus größten Drogen-Probleme schafft.
In den meisten Ländern fallen sowohl Kokain als auch Cocablätter unter das Betäubungsmittelgesetz. Eine Ausnahme stellen die südamerikanischen Tropenländer dar, wo das Cocakauen in die Kultur die Eingeboren integriert ist: In Peru, Bolivien und Nordwestargentinien ist sind Handel, Anbau und Konsum von Cocablättern legal. In Nordchile ist Cocakonsum zwar verboten, wird aber toleriert.